Letzte Woche traf ich den Künstler Jörg Kreutziger auf ein Glas Wein in der Marietta Bar im Prenzl’ Berg. Ich hatte mir seine Website angeschaut und war sofort an der Person hinter den tollen Illustrationen interessiert. Nachdem fast jeder den man hier trifft (inklusive mir) ein Zugezogener ist, war es fast eine Überraschung festzustellen, dass Jörg (oder Jokke für seine Freunde) ein rischtijer Berliner ist. Dies blieb aber nicht der einzige Überraschungsfaktor den der Künstler bereithielt: In unseren Interview spricht er über seine Heimatstadt Berlin, warum er Künstler wurde und warum Mut so eine große Rolle spielt, wenn man gute Kunst machen will.

Wie lange wohnst du schon in Berlin?

Ich bin sozusagen ein “Berlin Original”. Ich wuchs in Ost Berlin auf und war elfeinhalb als die Berliner Mauer fiel. Es ist nicht so, dass ich mein komplettes Leben hier gelebt habe, als ich 22 war lebte ich für ein Jahr in Kanada und auch während meines Studiums musste zwischenzeitlich woanders leben. Am Ende bin ich Berlin aber immer treu geblieben und im Moment lebe ich im Prenzlauer Berg.

Wo und was hast du studiert?

Zusammengenommen habe ich fast 15 Jahre lang studiert. Anfangs wollte ich Kunst studieren aber obwohl ich zu vielen Interviews an Kunst-Unis eingeladen worden war bekam ich von allen Professoren immer wieder zu hören mein Strich sei “zu fest” und sie könnten mich nicht mehr formen. Statt Kunst, fing ich daraufhin an Soziale Arbeit zu studieren und da ich mich eh immer schon für dieses Thema interessiert hatte, arbeitete ich nebenher in sozialen Projekten. Hier bekam ich auch zufälligerweise meinen ersten Auftrag für ein Bild. Da es ein katholischer Priester war, der das Bild von mir orderte, wählte ich als Thema “Heiliger Geist” aus. Ich brauchte fast vier Jahre um es fertigzustellen und tauchte in der Zeit komplett in die Thematik ein. Nachdem ich meinen Abschluss in Sozialer Arbeit dann in der Tasche hatte begann ich an der Viadrina Uni in Frankfurt Oder und an der HU, Sozialtherapie zu studieren und machte meinen Master. Im Moment arbeite ich als Soziotherapeut in einem Frühinterventionsprojekt für Kinder und Jugendliche die Hilfe brauchen.

“Becoming an Artist” – Wie kamst du zur Illustration und Kunst und wie lange bist du schon dabei?

Rückblickend war es wohl mein Vater der mich dazu brachte, meine künstlerische Identität zu entdecken. Als ich ein Kind war bat ich ihn nämlich oft für mich zu malen – er war selbst ein ziemlich guter Zeichner – und saß dann neben ihm und beobachtete wie er zeichnete. Ich liebte es zuzusehen, wie seine Hände Kunst erschufen. Als ich dann ein wenig älter war wuchs in mir der Wunsch auch selbst kreativ zu sein und ich wusste, ich könnte ein guter Sprayer sein. Doch mein erster Versuch schon brachte mir eine herbe Ernüchterung ein. Ich hatte mich gerade an einer guten Stelle positioniert und war drauf und dran loszulegen als ein paar gewalttätig aussehende Jugendliche vorbeikamen und mir sehr deutlich machten, ich solle doch ihr “Territorium” verlassen. Damals war ich gerade Fünfzehn und echt geschockt. Mir war auch noch nicht wirklich klar, wie viel es mir bedeutete, mich über Kunst auszudrücken, also verschwendete ich daraufhin nicht mehr viel Zeit damit. Erst als ich nach der Schule von Zuhause auszog und meine Mutter mir diesen riesigen Umschlag gab, in dem all meine gesammelten Skizzen waren, die ich während der Schulzeit nebenher in meine Unterlagen gemalt und gezeichnet hatte, wurde mir klar, dass Kunst für mich immer eine enorm wichtige Rolle spielen würde.

Kannst du dir mit deinen Arbeiten deinen Lebensunterhalt verdienen?

Während meiner Arbeit als Sozialarbeiter fand ich immer die Gelegenheit meine Arbeit anzubieten und erhielt ein riesiges Feedback aus dem ich schloss, dass es echt einen großen Bedarf an Kunst in diesem Bereich gab. Das Ziel vieler dieser sozialen Einrichtungen ist es, den Jugendlichen Vertrauen zu geben und den Bedürftigen ein Zuhause zu bieten, was die oft nicht haben. Es trägt deshalb zum Erfolg dieses Zieles bei an den Wänden “junge Kunst” zu haben. Viele meiner Kunden kommen also aus diesem Sektor. Neben kleineren Einrichtungen habe ich aber auch zum Beispiel für das Bundesministerium für Gesundheit und viele andere größere Institutionen aus dem Sozial und Gesundheitsbereich gearbeitet. Ich weiß noch wie es anfing und ich überraschend viele Bestellungen für Werke bekam, oder auch Anfragen für kreative Konzepte, Website Designs, etc. Es war echt toll. Darüberhinaus fing ich an für Red Bull zu arbeiten und habe seit 2009 viele Events und Projekte zusammen mit denen gemacht, was echt cool ist. Eins dieser Projekte war die live Painting Action in der Brunnenstraße.

Kommen deine Kunden hauptsächlich aus Berlin oder von woanders?

Viele kommen tatsächlich aus Berlin aber auch aus ganz Europa. Vor kurzem habe ich zum Beispiel einen Vertrag mit dem Innsbrucker Theater in Österreich gewonnen und werde von nun an die nächsten fünf Jahre lang deren Veranstaltungsposter gestalten.

Was für Techniken verwendest du?

Das ist unterschiedlich. Am Anfang meiner “Schaffensphase” benutze ich eher klassische Zeichenmethoden wie Fineliner oder Eddings aber inzwischen habe ich meine Technik ausgeweitet und bin großer Fan der Aquarellmalerei geworden. Dabei ist mir klargeworden, dass man eine Art Offenheit dem Motiv gegenüber mitbringen muss, da die Aquarellfarben viel freier sind und natürlich auch schneller verlaufen. Da braucht man echt Mut um absolut in sein Werk zu vertrauen, denn es benötigt eine große Portion Selbstsicherheit, um ein misslungenes Bild akzeptieren zu können. Ich zum Beispiel musste dieses Rückgrat erst entwickeln. Aber zurück zu meiner Technik, normalerweise male ich auf Leinwand, habe aber in letzter Zeit auch die digitale Kunst für mich entdeckt. Hauptsächlich wegen der Tools mit denen sich die Farben intensivierende lassen. Meine Lieblingstechnik ist das aber, nicht zuletzt wegen der fehlenden haptischen Erfahrung, nicht.

In Bezug auf deine künstlerische Arbeit: Zu wem schaust du auf?

Ich liebe klassische Kunst, wie zum Beispiel die Werke aus der Renaissance aber auch moderne Arbeiten wie von Jonas Burgert , meinem Lieblingskünstler, berühren mich. Kunst steht für mich für die sinnliche Erfahrung und Sinnlichkeit im Allgemeinen. Ich selbst möchte über meine Kunst Gefühle vermitteln und kann deshalb auch andere Kunst eher über die bestimmten Gefühle verstehen, die sie in mir auslöst, wenn ich die Bilder betrachte. Jonas Burger schafft genau diese Herausforderung perfekt. Er ist total frei von jeglichen einschränkenden Techniken und schafft es auch schwierige Thematiken mit einer Leichtigkeit darzustellen die mir imponiert. Ich glaube es liegt daran, dass er schlichtweg den Mut und die Selbstsicherheit hat, so zu malen. Das Ergebnis sind sehr intime Bilder, die eine klare Aussage vermitteln.

Wie ist es, Künstler in Berlin zu sein?

Auch wenn ich jetzt nicht so den Vergleich zu anderen Städten habe, ich finde es toll! Man kann, wo immer man möchte, Kunst machen und an jeder Ecke sieht man Graffiti und Street Art, was im Umkehrschluss auch zeigt das Kunst keiner sozialen Schicht vorbehalten ist. Jeder kann Kunst machen, also geht raus und traut euch!

Jokke ist in der Künstlergemeinschaft „DAS BEET“ , das junge Künstler unterstützt und ihm eine zweite Familie geworden ist.

Hier geht es zu Jokkes Fanpage.

Herzlichen Dank für das Interview !

//Stella Kennedy
photographed by MICK NITE